Spazierwege im Innern

Der Parkflügel der Rehabilitationsklinik Schloss Mammern besticht durch seine Hochwertigkeit. Auserlesene Materialien und eine durchdachte Funktionalität prägen den Neubau – verknüpft mit einer grandiosen Aussicht auf den See und den Schlosspark. Im Interview verrät Alain Roserens von Baumann Roserens Architekten, warum das Gebäude auch im Innern zum Spazieren einlädt.


Alain Roserens, was hat Sie bei der Arbeit am Erweiterungsbau für die Klinik Schloss Mammern am meisten beeindruckt?

Der Ort hat eine lange Geschichte. Von den Rittern von Roll 1621 erbaut, wurde das Schloss später von den Äbten des Klosters Rheinau als Residenz genutzt. 1866 wurde in den historischen Gebäuden schliesslich eine Wasserheilanstalt gegründet. Über die Jahrhunderte ist daraus die heutige Rehabilitationsklinik entstanden. Besonders ist auch, dass die Besitzerfamilie Ullmann-Fleisch seit über 130 Jahren das Anwesen betreut. Jede Generation hat etwas Neues beigetragen. Als bisher letzten Baustein kam nun der Erweiterungsbau im östlichen Parkteil dazu.

Wie konnten Sie die Umgebung in die Planung integrieren?

Es brauchte bei der Planung und Gestaltung grosses Feingefühl; wir konnten ja nicht einfach Bäume fällen. Wir mussten subtil vorgehen und diesen besonderen Ort mit dem Park und dem See in unsere Gedankengänge miteinbeziehen.

Inwiefern hat sie der bereits bestehende Bau der Klinik beeinflusst?

Im Gesamtkonzept war klar, dass der neue Parkflügel mit dem bestehenden Gebäude eng verbunden werden soll. Dazu gehörte die Aufgabe, einen ganz neuen Eingang zur Klinik zu gestalten. Bisher war der Zugang eher informell. Jetzt lädt eine Vorfahrt, die an einen Ehrenhof erinnert, die Ankommenden ein. Der Empfang besteht aus einer edlen Reception, schon fast wie in einem Hotel. Im Bereich zwischen den neu hinzugefügten Gebäuden ist eine neue Mitte entstanden. Wir nennen sie den Souk, es ist quasi eine Marktgasse mit Therapie- und Seminarräumen sowie Sprechzimmern, die gleichzeitig als Verbindung zum neuen Bettentrakt und zum neuen Seerestaurant dient.

«Wir haben uns die öffentlichen Bereiche als Wegnetz vorgestellt.»


Was war für Sie wichtig bei der Gestaltung des Neubaus?

Wir haben festgestellt, dass Bewegung und Spazieren innerhalb der Klinik eine zentrale Bedeutung in der Therapieform der Klinik darstellen. Deshalb haben wir uns die öffentlichen Bereiche wie als weitverzweigtes Wegnetz vorgestellt. Es sind keine rein funktionalen Korridore, es sind Räume, die grosszügig gestaltet sind, und immer wieder schöne Ausblicke in die Natur eröffnen. Dadurch erkennen Patientinnen und Patienten sofort, wo sie sich im Haus befinden. Das Ziel war, dass man sich im Parkflügel der Klinik Schloss Mammern auch ohne Beschilderung einfach zurechtfindet.

Schliesslich spielen auch die Endpunkte dieser Spazierwege in der Wahrnehmung der PatientInnen eine wichtige Rolle: Es sind die Aufenthaltsbereiche mit Balkonen und wunderschöner Aussicht auf den See. Sie bilden quasi das Gipfelerlebnis der Wanderungen durch das Gebäude.

Wie konnte Bach Heiden zu diesem Konzept beitragen?

Die Türen und Abschlüsse sind in dem von uns konzipierten Wegsystem natürlich zentral. Auf keinen Fall wollten wir, dass die Brandschutzabschlüsse als zu funktional wahrgenommen werden. Darum war von Anfang an klar, dass es schöne Abschlüsse in wertiger Ausführung werden sollten. Und wir wussten, Bach Heiden ist für einen solchen Auftrag die genau richtige Firma.

«Architektur kann das Wohlbefinden immer beeinflussen.»


Und doch ist das Gebäude eine Klinik und kein Hotel. Wo findet man die Funktionalität des Gebäudes?

Natürlich, es gibt auch in diesem Gebäude die eigentliche Service-Funktionalität, die eine Klinik ausmacht. Wir haben uns das Haus als eine Maschine vorgestellt, bei der man die Technik nicht sieht. Es gibt separate Gänge für den Küchenbereich, die mit der Hauptküche verbunden sind und eine direkte vertikale Verbindung zu den Zimmeretagen, die den Service der Mahlzeiten in den Zimmern erlaubt. Es gibt eine ganze Batterie von Räumen, welche die Leistungen und den Service im Hintergrund gewährleisten, die aber nicht auf den ersten Blick sichtbar sind.

Wie kann Ihre Architektur das Wohlbefinden von Patientinnen und Patienten beeinflussen?

Wir sind überzeugt, dass gute Architektur das Wohlbefinden immer positiv beeinflussen kann, auch bei einem gewöhnlichen Wohnhaus. An diesem speziellen Ort war für uns ganz wichtig, dass man diesen aussergewöhnlichen Ort inmitten der grossen Parkanlage spürt. Aus jedem Patientenzimmer des Neubaus hat man Aussicht auf den Park und den See. Vor allem für genesende Personen, die viel liegen müssen, haben wir ganz spezifische Zimmer entworfen, bei denen man auch aus dem Bett von den Qualitäten des Ortes profitieren kann.

Um das Gefühl der Geborgenheit zu verstärken, haben wir neben grossen Fenstern auch auf eine genügend umschliessende Architektur geachtet. Die Menschen, die nach Mammern kommen, haben oft eine schwierige Zeit hinter sich. Die Architektur mit viel Licht und natürlichen Materialien soll ihnen während ihres Aufenthalts wieder Halt geben.

 

Alain Roserens hat an der ETH Zürich Architektur studiert und gründete 1998 zusammen mit Lorenz Baumann die Firma Baumann Roserens Architekten.  Er ist nebenamtlich Dozent für Entwerfen und Konstruieren am Departement für Architektur der ZHAW und zurzeit Präsident des Architekturforums Zürich.